
Deutsche Einheit Prinzipientreue und Pragmatismus sind die Grundpfeiler der Deutschland- und Ostpolitik der Regierung Kohl/Genscher bis 1989. Es geht um menschliche Erleichterungen. Am Ziel der Einheit der Nation wird festgehalten. Zugleich erweist sich die Bundesrepublik als verlässlicher Partner in Europa und im atlantischen Bündnis. Als am 9. November 1989 die Mauer fällt, hat diese Politik national und international das Vertrauen geschaffen, um die Zustimmung der Nachbarn zur Wiedervereinigung zu gewinnen. Fortsetzung des innerdeutschen Dialogs Als Helmut Kohl die bundespolitische Bühne betritt, war mit dem Grundlagenvertrag der sozialliberalen Koalition eine entscheidende Weiche gestellt worden. Die alte Magnettheorie Adenauers schien am Ende, mehr Einfluss der Bundesrepublik auf die DDR und in Osteuropa schienen gewonnen. Diese neue Ostpolitik will Kohl in die Strategie der Westintegration einbinden: feste Verankerung und Standhaftigkeit im Westen, keine Zweideutigkeit und Doppelbödigkeit, vor allem aber Offenhalten der deutschen Frage und Gegenleistungen der DDR im humanitären Bereich für jegliche finanzielle Leistung seitens der Bundesrepublik. Die deutsche Einheit als Auftrag des Grundgesetzes steht für Kohl niemals zur Disposition. Die Taktik zeigt Erfolge: In den 1980er Jahren erreicht die Regierung Kohl den Abbau der Selbstschussanlagen ebenso wie die weitgehende Reduzierung der Anwendung der Todesstrafe in der DDR. Der innerdeutsche Handel schwankt von 1982 bis 1989 kontinuierlich zwischen 13 und 15 Milliarden D-Mark. Über den Osten in die Freiheit Ende der 1980er Jahre verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der DDR. "Glasnost" und "Perestroika" des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow rauben der SED ihren ideologischen Rückhalt; sie gerät zunehmend unter Druck. Gleichzeitig nähern sich Kohl und Gorbatschow an: Im Juni 1989 veröffentlichen sie bei einem Treffen in Bonn eine "Gemeinsame Erklärung" zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Friedliche Revolution Der ansteigende Reformdruck im Inneren ist kaum mehr zu kontrollieren. Besonders in Leipzig brechen die friedlichen Montagsdemonstrationen den Widerstandswillen der Staatsmacht. Nach einem restriktiven Entwurf eines neuen Reisegesetzes zwingt der öffentliche Druck die SED in der Nacht des 9. November 1989 dazu, die Mauer zu öffnen. In den folgenden Stunden und Tagen besuchen Hunderttausende DDR-Bürger den Westteil Berlins und die übrige Bundesrepublik. Mauerfall und Wiedervereinigung Als sich nach dem Mauerfall das historische Zeitfenster der Wiedervereinigung öffnet, ergreift der Bundeskanzler die Initiative im Einigungsprozess: Am 28. November 1989 präsentiert Helmut Kohl im Deutschen Bundestag das Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands. Die innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen sind dafür günstig. In zwei Treffen mit dem sowjetischen Staatspräsidenten und KPdSU-Chef Michail Gorbatschow wird der Durchbruch erzielt. Die Sowjetunion erkennt das Recht der Deutschen auf Selbstbestimmung und Wiedervereinigung an. Eingebettet in Europa Als 1990 über die deutsche Einheit verhandelt wird, trägt die europapolitische Zuverlässigkeit der Regierung Kohl viel dazu bei, die bei manchen Nachbarn bestehenden Vorbehalte gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands zu überwinden. Kein Nationalismus. Kein Triumphgefühl. Aber ein Deutschland, fest eingebunden in die Familie der europäischen Nachbarn. Helmut Kohl stellt mit dem Schlagwort der "zwei Seiten derselben Medaille" von Anfang an die gegenseitige Bedingung von deutscher Einheit und europäischer Einigung heraus. |